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Castro - Graphic Novel / Comic
von Reinhard Kleist, mit einem Vorwort von Volker Skierka
280 Seiten, Hardcover, farbig, Deutschland: € 16,90 / Oesterreich: € 17,40 / Schweiz: sFr 30,90, Erscheinungsdatum: 1. Oktober 2010, Carlsen Verlag, ISBN 978-3-551-78965-5
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Marta Feuchtwanger Copyright Volker Skierka
Ein Don Quijote gegen Dummheit und Gewalt
Einstündiges Radio-Feature von Volker Skierka für NDR-Kultur aus Anlass des 50. Todestages am 21. Dezember 2008 und des 125. Geburtstages des deutsch-jüdischen Schriftstellers Lion Feuchtwanger am 7. Juli 2009 sowie ein Gespräch mit dem Schriftsteller und Literaturexperten Prof. Fritz J. Raddatz.

Der Freund und Weggefährte von Bertolt Brecht, Heinrich und Thomas Mann, Arnold Zweig sowie anderen literarischen Zeitgenossen zählte zu den ersten, den die Nationalsozialisten nach der Machtergreifung Hitlers ausbürgerten. 1933 zog der Verfasser historischer Romane wie „Jud Süß“, „Erfolg“, „Der jüdische Krieg“ und „Goya“ zunächst nach Sanary-sur-mer an der französischen Mittelmeerküste. 1940, nach dem Überfall Deutschlands auf Frankreich, mußte er er unter dramatischen Umständen in die USA fliehen. „Die Dummheit der Menschen ist weit und tief wie das Meer“, schrieb er 1933 in einem Brief an Zweig. Seine Arbeit widmete der linksbürgerliche Romancier dem – vergeblichen - Kampf der Vernunft gegen Dummheit und Gewalt. Volker Skierka, Journalist und Biograf Feuchtwangers, zeichnet dessen Leben anhand von Dokumenten, Interviews und – bislang unveröffentlichter - Tonbandaufnahmen zahlreicher Gespräche nach, die der Autor einst mit Feuchtwangers Witwe Marta und seiner Sekretärinnen Lola Sernau führte.
(Mehr unter Menüpunkten "Publikationen / Lion Feuchtwanger" sowie "Villa Aurora")

Konzentrationslager Birkenau (Auschwitz). - Text und Fotos: Volker Skierka
Weiße Flecken, dunkle Geschichte
Aus: Der Tagesspiegel, 20. Jan. 2006

80 Jugendliche, Deutsche und Polen, auf der Suche nach der Wahrheit, die die Nazis unterdrückt haben. Versuch einer Versöhnung

Alles ist wie in Watte gebettet. Der Schnee liegt hoch, die Bäume und der doppelte Stacheldrahtzaun sind weiß überpudert. In klirrender Kälte passieren die polnischen Germanistik-Studentinnen Kasia Król und Maria Mrówca das weit geöffnete Tor unter dem Schriftzug „Arbeit macht frei“. Es ist früh am Tag. Man ist allein im ehemaligen Menschen-Vernichtungslager Auschwitz und Birkenau. Stumm, in sich gekehrt und ziellos gehen die jungen Frauen durch die einsamen Lagerstraßen, stehen in einer der ehemaligen Gefangenen-Unterkünfte plötzlich vor einer 20 Meter langen Glaswand, hinter der zwei Tonnen Menschenhaar liegen. Es konnte wegen der Befreiung des KZs nicht mehr an die Textilindustrie geliefert werden.

Kasia, die große, schlanke Dunkelhaarige, ist 21 Jahre alt, Maria, etwas kleiner und blond, ist 23. Ihre Gesichter sind wie versteinert. Draußen sagt Kasia nur: „Wenn man daran denkt, dass viele der Täter und der Opfer in unserem Alter waren …“ Dann nimmt Maria den Faden auf und sagt: „Ich glaube, es ist wichtig für die Deutschen, dass Menschen anderer Nationen mit ihnen darüber sprechen.“
In dem massiven roten Backsteinbau mit der Nummer 24, wo das Archiv jenes Ortes untergebracht ist, haben Kasia und Maria mit drei Kommilitoninnen und einem Kommilitonen von der Universität des 60 Kilometer entfernten Krakau mit einem einzigartigen deutsch-polnischen Geschichtsprojekt begonnen.

Die Studenten forschten nach Lücken und Manipulationen in der seit dem Überfall Hitlers auf Polen 1939 gleichgeschalteten Lokalpresse. Diese „weißen Flecken“ in der offiziellen Berichterstattung, versuchten die Studenten 60 Jahre nach Kriegsende mit Wahrheiten zu füllen. „Hunderte von dicken Bänden, Tagebücher und Dokumente, liegen hier“, sagen sie. „Wir haben einfach einige herausgegriffen, darin geblättert und gelesen. Das war der Anfang.“
Herausgekommen ist dabei aber nicht eine neue Arbeit über den Massenmord von Auschwitz, sondern eine Untersuchung über ein nahezu unbekanntes Thema – über den damals weitverzweigten und oft tödlichen Widerstand der gut organisierten polnischen Pfadfinderbewegung und deren Untergrundpresse im Raum Krakau...
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Volker Skierka: "Armin Mueller-Stahl - Begegnungen. Eine Biografie in Bildern."
216 Seiten gebunden, €39,90, erschienen im Oktober 2002 im Knesebeck Verlag München, ISBN 3-89660-139-3
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  E-Mail an Volker Skierka
 
TEXT Der moralische Krieger

Der moralische Krieger
Javier Solana Madariaga
 
Der geschmeidige Generalsekretär Javier Solana gilt als Glücksfall für die NATO - und als Mann der USA. Er will ein Bündnis, das die Menschenrechte verteidigt.
 
© Volker Skierka
Stern Nr.17, Seite 222 ff., 22. April 1999


BRÜSSEL - Eiskalt blicken plötzlich diese Augen, die sonst jedem gerne einen verschmitzten Blick zuwerfen. Versteinert wirkt das von feinen Falten durchfurchte Gesicht, welches am liebsten lebhaft aller Welt freundlich zulächelt. Verflogen ist der joviale Charme, mit dem der Mann jeden für sich einzunehmen versteht, der in seine Nähe kommt. Als säße da nicht ein Reporter auf dem Sofa, sondern der serbische Diktator Slobodan Milosevic, durchbohrt Javier Solana Madariaga, der 56jährige Generalsekretär des Nordatlantischen Verteidigungsbündnisses NATO, mit seinem Blick das Gegenüber. Mit der sonst so angenehmen rauchig-heiseren Stimme, deren harter katalanischer Akzent heute so unerbittlich wirkt, gibt der Spanier zu verstehen: "Wir werden diesen Konflikt ohne jeden Zweifel gewinnen."

"Werden"? "Müssen!", wäre das richtigere Wort. Mit allen Mitteln. Und wenn nicht aus der Luft, dann eben vom Boden aus. Die 19 Mitgliedsstaaten der NATO und allen voran ihr Generalsekretär dürfen diesen gern als "Konflikt" bezeichneten "Krieg" gegen den serbischen Gewaltherrscher gar nicht verlieren. Zu viel steht auf dem Spiel: Nicht nur das Ansehen. Der Zusammenhalt des Bündnisses. Seine Zukunft. Eine Niederlage auf dem Amselfeld wäre für die NATO kein Aufbruch ins 21. Jahrhundert, sondern vielleicht der Anfang von ihrem Ende als Gemeinschaft mit unabsehbaren Konsequenzen für die Stabilität Europas und der westlichen Welt.

Ausgerechnet in dieser Situation ruhen alle Zukunftshoffnungen des Bündnisses auf einem ehemaligen Pazifisten und NATO-Gegner. Der Mann, der zu seiner eigenen Überraschung viele Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges am 24. März den militärischen Einsatzbefehl geben und das Bündnis für den Frieden in seinen ersten heißen Krieg führen mußte, hätte in früheren Zeiten alle Voraussetzungen erfüllt, unter einen Radikalenerlaß zu fallen.

Seine engsten Mitarbeiter, seine zahllosen politischen Freunde, seine Feinde und Gegner, wenn er denn solche hat, und jene, die Solana im Dezember 1995 einstimmig zum neunten Generalsekretär und damit zum obersten politisch Verantwortlichen der Verteidigungsgemeinschaft gemacht haben, bezeichnen ihn unterdessen als "Glücksfall für die NATO": Der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Platz.

Nicht nur jetzt in den Wochen des Waffengangs, sondern auch am Tag danach. Solana möchte die NATO nicht nur als Organisation erscheinen lassen, "die alles riskiert", um die Verletzung der Menschenrechte in jenen Ausmaßen wie auf dem Balkan zu stoppen. Er will, daß die NATO auch dann zur Stelle ist, wenn es gilt, das zerstörte Land und das Vertrauen in die NATO wieder aufzubauen. Nicht nur auf dem Balkan.

Auch in Rußland zum Beispiel. Nicht zuletzt durch seine entwaffnende Persönlichkeit und sein privates Engagment bis hin zu einer ausgedehnten privaten Urlaubsreise mit seiner Familie nach Rußland überzeugte er den russischen Präsidenten Boris Jelzin und den damaligen Außenminister und heutigen Premier Primakov davon, eine Art Freundschaftspakt mit der NATO zu unterschreiben und die Osterweiterung der NATO um die Tschechische Republik, Ungarns und Polens - wenn auch widerwillig - hinzunehmen. Jetzt jedoch fühlen sich die Russen düpiert und Solana versucht hinter den Kulissen zu retten, was zu retten ist: "Es gibt Kontakte. Welcher Art die sind, möchte ich im Moment für mich behalten."

In diesen Tagen steht die NATO in den Medien nicht gut da. Die versehentliche Bombardierung eines Flüchtlingstrecks durch ein NATO-Flugzeug, die zunehmende Zahl der Opfer in der ohnehin leidenden Zivilbevölkerung bringt das Militärbündnis hinter den Linien plötzlich in eine publizistische Defensive und aus dem Tritt. Bis in die tiefe Nacht telefoniert Solana mit den Verantwortlichen in den Hauptstädten. Am Nachmittag, zur vertraulichen Lage mit NATO-Sprecher Jamie Shea, tritt die zweite Hauptfigur des Kriegsdramas auf: der 55jährige Oberbefehlshaber der NATO-Truppen, General Wesley K. Clark. Geräuschvoll marschiert der militärisch Verantwortliche, mit seiner ordenbehängten Entourage in die ruhige, schallgedämmte Büroflucht des Generalsekretärs im ersten Stock des NATO-Hauptquartiers.

Vor der geschlossenen Tür, umgeben von Gemälden alter und neuer Meister, Gummipflanzen einem Tisch voller antiker Hieb- und Stichwaffen und dem Modell eines Wikingerschiffes, legt sich Clark erst einmal schlaksig quer über einen der braunen Ledersessel und läßt sich per Handy die neuesten Informationen geben. Dann stürmt er, ohne anzuklopfen, zu Solana in den Raum und nach ein paar Minuten wieder hinaus. Die Front hat sich verlagert. Jetzt gilt es kurzfristig einen Blitzkrieg gegen die Medien zu gewinnen, die, gelangweilt von bisher stets dürren Informationen, den getroffenen Flüchtlingstreck zum Hauptthema machen. Per Mobiltelefon befiehlt Clark - offenbar in Abstimmung mit Solana - auf der täglichen Pressekonferenz das Tonband mit dem Bericht eines der am Einsatz beteiligten Piloten abzuspulen. Doch die Aussagen des Piloten stiften nur noch mehr Verwirrung.

Bei allem Ernst der Lage kommt einem für einen Augenblick Hollywood in den Sinn: Clark als einer vom Typ "junger James Stewart", Solana indessen eher vom Typ Marecello Mastrioanni. Wegen seines freundlichen Wesen und der leicht vornübergebeugten Körperhaltung, die herrührt vom Umarmen von Freund und Feind, vom aufmerksamen Zuhören, vom endlosen Telefonieren am Schreibtisch, vom Lesen guter Bücher. "Auf der ganzen Welt," so schrieb dieser Tage sein langjähriger Freund, der kolumbianische Schriftsteller Gabriel García Márquez, "genießt er zu Recht den Ruf, der an Lächeln und Umarmungen verschwenderischste Mensch zu sein."

Doch in Augenblicken, in denen er allein mit sich ist, andere ihn aus respektvoller Distanz betrachten, wirkt er traurig, voller Melancholie. Márquez schrieb: "Die wenigen Male, die er nicht auf der Hut ist, entlarven ihn seine Augen als einen traurigen, zur Einsamkeit neigenden Poeten." Was mag in den Nächten in ihm vorgehen, in denen er nicht an seinem überladenen großen Schreibtisch sitzt, eine detaillierte Kosovo-Karte auf einem Notenständer neben sich und telefoniert ? Solana leidet, so wissen Freunde, unter Schlafstörungen. Ihm genügen, sagt einer seiner Vertrauten, im Durchschnitt vier Stunden Schlaf.

Das hat für seine Umgebung unangenehme Konsequenzen. Nicht, weil er etwa schlecht gelaunt wäre, das sei er so gut wie nie, sondern weil er, wenn sie des morgens mit ihm zusammenkämen, meist schon alles wisse. Weil er telefoniert und gelesen habe und mit seinem Laptop im Internet herumgesurft sei während sie geschlafen hätten. "Und bei aller Verbindlichkeit ist er ein durchsetzungskräftiger, harter und schneller Chef," sagt ein Diplomat, der eng mit ihm zusammenarbeitet, "von intellektueller Ungeduld", sagt ein anderer. Einen "Mega-Workoholic" nennt ihn NATO-Pressechef Shea.

Solana verkörpert auch äußerlich einen völlig neuen Typ des Chefs der Allianz. Er hat nichts von seinen Vorgängern wie dem präsidial-gravitätischen, gleichwohl legendären Joseph Luns, oder dem sehr britischen Lord Carrington, und auch nichts von dem schneidigen Manfred Wörner. Er wirkt gar nicht wie ein NATO-Generalsekretär, sondern hat immer noch etwas von dem Professor für Festkörperphysik, der er bis zu seinem Hinauswurf während der Franco-Diktatur an der Madrider Universität Complutense war. Marquez beschrieb ihn treffend als "Intellektuellen, der nicht bärtig, sondern einfach schlecht rasiert wirkt wegen der Eile nach einer schlaflosen Nacht, der nur zu gut den Zauber von Gesprächen kennt und ernsthaft und gründlich all jene Bücher gelesen hat, die man lesen sollte".

Daß Solana als Altlinker und Alt-68er so entschieden das Vorgehen der NATO vertreten kann, hat damit zu tun, daß es gegen den Diktator Milosevic und "nicht gegen das serbische Volk" geht. Hier tritt die eigene Biographie zum Vorschein, spielen die eigenen Diktaturerfahrungen hinein. Solana wurde im Juli 1942 in eine Madrider gutbürgerliche und gesinnte Familie hineingeboren. Sein Vater, ein Chemieprofessor, wurde wegen seiner liberalen Gesinnung zeitweise an der Berufsausübung gehindert, seine Mutter war eine Nichte des bekannten Schriftstellers, ehemaligen Diplomaten und Außenministers der spanischen Republik Salvador de Madariaga, sein Bruder Luis war unter Franco lange inhaftiert.

Ausgebildet am privaten Elite-Gymnasium El Pilar, ging er wegen zunehmener politischer Schwierigkeiten noch als Student ins Ausland: in die Niederlande, nach Großbritannien und - ausgestattet mit einem Fulbright-Stipendium - in die USA. Dort erlebte er, der bereits seit 1964 Untergrundmitglied der spanischen sozialistischen Partei PSOE war, die Hochzeit der Anti-Vietnamkriegskampagnen und Friedensmärsche. Nach seiner Rückkehr schlug er zunächst eine Universitätslaufbahn ein, wurde aber wenig später aus politischen Gründen entlassen. Er wandte sich ganz der Politik zu und stieg seit 1974 als engster Vertrauter an der Seite des spanischen Sozialistenchefs und späteren Ministerpräsidenten Felipe González steil nach oben auf.

Seit die PSOE 1982 an die Macht kam, war er Mitglied in allen Kabinetten von Felipe González: Als Kulturminister schnappte er den Deutschen die Thyssen-Bornemisza-Gemäldesammlung vor der Nase weg, als Erziehungsminister brachte er Ordnung in die Bildungspolitik und versöhnte das katholische Bürgertum mit dem Reformsozialisten. Als spanischer Außenminister spielte er sein Land von 1992 an auf der internationalen Ebene in die vordere Reihe und machte sich weltweit viele enge politische Freunde - insbesondere als Spanien 1995 die EU-Präsidentschaft innehatte. Bedingungslos unterstützte er damals durch die Entsendung spanischer Mititärkontingente die Bosnien-Politik der NATO.

Als González, von Korruptionsskandalen seiner Regierung geschwächt, den stets sauber gebliebenen Solana im Dezember zum Nachfolger machen wollte, um die Macht für die PSOE zu retten, kam das überraschende Angebot, NATO-Generalsekretär zu werden. Solanas bis dahin einzige persönliche militärische Erfahrung war, daß er als Wehrpflichtiger dem Diktator Franco als Palastwache dienen mußte.

Unter den Europäern galt er zunächst als Kompromißkandidat. Für den damaligen US-Außenminister Warren Christopher und Präsident Bill Clinton war er hingegen stets erste Wahl. Daß er noch Anfang der 80er Jahre vehement gegen die amerikanischen Militärstützpunkte und den Eintritt Spaniens in die NATO zu Felde gezogen war, störte nicht. Was zählte, war, daß er wenige Jahre später, 1986, an der Seite von Felipe González, wenn auch als einer der letzten, eine Kehrtwendung vollzogen und seither die Integration Spaniens als vollwertiges Mitglied in die NATO betrieben hatte.

Heute sind die Amerikaner stolz auf ihren Kandidaten: "Die bisherige Amtsführung von Javier hat alle meine bisherigen Erwartungen übertroffen," sagt Christopher. "In einer schwierigen und äußerst beanspruchenden Zeit hat er erstklassige Arbeit geleistet." Das will etwas heißen für einen "Sekretär" von 19 Nationen. Als ihm einmal vorgeworfen wurde, ein Mann der Amerikaner zu sein, konterte er mit dem Satz: "Das Bündnis hat nicht zuviel Amerika, sondern zuwenig Europa."

Wer ihn auf seine Wandlungsfähigkeit anspricht, bekommt von ihm ein Zitat des mexikanischen Schriftstellers Octavio Paz zu hören: "Im Laufe eines jeden Lebens stellen sich immer dieselben Fragen. Das, was sich ändert, sind die Antworten." Oder, weniger philosophisch, als Gegenfrage ein sehr handfestes Zitat des Ökonomen John Maynard Keynes: "Wenn ich falsch liege, ändere ich meine Meinung. Und was machen Sie ?"

Und er ist alles andere als ein Opportunist. Ein hochrangiger und langjähriger NATO-Diplomat verrät: "Sie können davon ausgehen, daß er kein hilfloser Befehlsempfänger ist." Wenn er von einer Sache überzeugt sei, spiele er seine Autorität auch schon einmal bis zum Äußersten aus. "Ich habe es erlebt, daß er dem NATO-Rat, als man ihm dort einmal nicht folgen wollte, seine Abwahl vorgeschlagen hat."

Sein Erfolgrezept ist, daß er, wie sein Umfeld betont, "ein überzeugter Europäer" ist und alle und jeden kennt. Und wenn etwas in dem großen Staatengetriebe klemmt, greift er zum Telefonhörer. Er steht in dem Ruf, seine Freundschaften zu pflegen. "Immer achtet er darauf, daß niemand in seinem Telefonbuch zu weit nach unten rutscht," weiß einer seiner Freunde zu erzählen.

Vielleicht möchte Solana eines Tages gerne jenen Satz aus dem berühmt gewordenen Essay "Über Don Quijchote" seines Vorfahren Madariaga auch für sich gelten lassen, in dem es heißt: "...denn er ist gewachsen durch den Schatz an Erfahrungen und Abenteuern, die er auf seinem dreihundert Jahre währenden Ritt durch die grenzenlosen Gefilde des menschlichen Geistes zu bestehen hatte."



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Cicero
Februar 2010
Guantánamo schließen - jetzt erst recht
© Volker Skierka
Die Reise ins Jenseits der Demokratie führte mich im Januar 2004 mitten hinein in eine militärische Version der „Truman Show“, jener Filmsatire von Peter Weir, in der ein ahnungsloser und gutgläubiger Kleinbürger zum Opfer einer Heile-Welt-Fernsehshow wird. In meinem Fall war das Pentagon der Regisseur der „Show“, die freilich keine Satire war, sondern blutiger Ernst. Schauplatz war der US-Marinestützpunkt Guantanamo Bay auf Kuba [...]
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NEUE ZÜRCHER ZEITUNG
9./10. August 2008
Kuba wartet auf seine Zukunft
Keine Aufbruchstimmung trotz angekündigter Veränderungen
Von Volker Skierka
Seit Raúl Castro vor zwei Jahren von seinem Bruder Fidel die Macht übernahm, sind in Kuba manche Veränderungen angekündigt und eingeleitet worden. Das Hauptproblem liegt in der Landwirtschaft, die dringend angekurbelt werden muss. Obwohl Kritik offener ausgedrückt wird, ist in der Bevölkerung keine Aufbruchstimmung spürbar.

Kuba wartet. Auf den Überlandbus, der selten kommt. Auf den alten sowjetischen Lastwagen, der mit einigen Dutzend Mitfahrern auf der Ladefläche über Strassen voller Schlaglöcher rumpelt. Auf den ausländischen Touristen mit dem komfortablen Mietwagen, bei dem ein Einheimischer sogar umsonst mitfahren kann. Oder einfach nur auf die einspännige und bunt geschmückte Pferdekutsche, die gemütlich durch den Ort trabt und Eilige ausbremst. Fröhlich und freundlich, hoffnungsvoll und optimistisch, mitunter auch erschöpft, resigniert und erloschen wartet ein ganzes Volk mit scheinbar grenzenloser Geduld jeden Tag in langen Schlangen und dicken Menschentrauben an den Strassenrändern und Weggabelungen darauf, irgendwohin mitgenommen zu werden, zur Arbeit, zu Verwandten, in die nächste Stadt – oder in ein anderes Leben... [...]
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DER TAGESSPIEGEL
13. Dezember 2008
Die Freiheit des anderen
Exilkubaner gegen Kuba – ein Terrorkampf seit Jahrzehnten. Mit Barack Obama kommt nun auch die Hoffnung auf Besserung
Von Volker Skierka
Sie werden die „Osama bin Ladens des Westens“ genannt. Luis Posada Carriles und Orlando Bosch zählen zu den gefährlichsten Terroristen der Welt. Unter den Veteranen von ihnen mitbegründeter exilkubanischer Terrornetzwerke wie „Alpha 66“, „Omega 7“, „CORU“, „El Condor“ und „Comando L“ genießen die beiden einen zweifelhaften Helden- und Kultstatus. In jenen Kreisen gelten sie als „gute“ Terroristen, weil sie über Jahrzehnte von Florida und Mittelamerika aus – immer wieder auch als feste wie freie Mitarbeiter der CIA – das Kuba der Brüder Fidel und Raúl Castro und von deren Freunden bekriegt haben. In die Hunderte geht die Zahl der im letzten halben Jahrhundert von ihnen und ihren Gesinnungsgenossen in zahlreichen Ländern, aber auch innerhalb der USA verübten, verantworteten oder zugeschriebenen Bombenanschläge, Attentate und Sabotageakte mit Explosiv- und biologischen Kampfstoffen sowie die Anzahl der menschlichen Kollateralschäden an Toten, Verletzten und Invaliden. [...]
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DIE ZEIT - Online
19. Februar 2008
Modell Kuba
Die neue Führung nach der Ära Castro wird wahrscheinlich reformbereit sein. Seine Machtelite jedoch wird versuchen, ihre Pfründe zu wahren
Von Von Volker Skierka
Es ist, als wäre er gestorben. Kaum jemand in der Welt konnte sich vorstellen, dass die Ära Fidel Castro anders zu Grabe getragen würde als in einem Sarg. Nun aber fand dies in Form der schlichten Mitteilung statt, er gebe seine Staatsämter auf.
Es passt irgendwie zu ihm, dass er seinen Abgang so inszeniert, dass er ihn auch noch selbst erleben darf. Aber vor allem auch, weil er so noch bestimmen kann, wer ihm folgt. Und das ist aller Wahrscheinlichkeit nach sein Bruder Raúl, der als Erster Vizepräsident schon seit anderthalb Jahren die Amtsgeschäfte des kranken Máximo Líder kommissarisch wahrgenommen hat.
Wenn die 624 Abgeordneten der gerade neugewählten kubanischen Nationalversammlung wie geplant am Sonntag zusammentreten und den 31-köpfigen Staatsrat, mithin praktisch die künftige Staatsführung wählen, dann dürfte der jüngere Bruder der einzige Kandidat für die Nachfolge des Staatspräsidenten sein.
Spannend an dem Ritual wird sein, wie dieser Staatsrat sonst zusammengesetzt sein wird, wer den Ministerrat bildet. Wer also jene Leute sind, die das schwierige Erbe des großen Caudillo übernehmen... [...]
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Hamburger Abendblatt,
2. März 2007
Hamburg ist nicht der Kongo
Von Volker Skierka
Was unterscheidet Hamburg vom Kongo? Und was den kongolesischen Staatspräsidenten Generalmajor Joseph Kabila von dem Hamburger SPD-Kreisvorsitzenden und Major der Reserve Johannes Kahrs (übrigens tragen beide die gleichen Initialen J. K. im Namen)? Sehr viel. Deshalb lohnt der Vergleich. Im Kongo haben voriges Jahr Kahrs' Bundeswehr-Kameraden im Auftrag der Uno für einen recht ordentlichen Ablauf der Präsidentenwahl gesorgt. In Hamburg ist hingegen etwas passiert, was man bisher nur aus Ländern wie dem Kongo kannte: Erst hat der Kreisfürst und Bundestagsabgeordnete Kahrs - Mitglied des Männerbundes Wingolf sowie des Präsidiums des Förderkreises Deutsches Heer - einen Putsch gegen sein Parteioberhaupt Mathias Petersen inszeniert.
Dann, als das Opfer sich nicht so einfach meucheln ließ, half eine manipulierte Wahl nach. Deren Ausgang erfüllte schließlich das Ziel: Der Kopf ist ab... [...]
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Der Tagesspiegel
5. August 2006
Revolutionär von der traurigen Gestalt
Fidel Castros Abschied von der Macht: Die Götterdämmerung hat längst eingesetzt. Und was kommt dann?
© Volker Skierka
Auf dem Sterbelager diktiert der große Freiheitskämpfer eine bittere Erkenntnis in sein Testament: „Wer sich der Revolution verschreibt, pflügt das Meer“, sagt er und prophezeit: „Dieses Land wird unweigerlich in die Hände einer enthemmten Masse geraten, um dann an verkappte kleine Tyrannen aller Farben und Rassen zu fallen.“ Diese letzten Worte von Simón Bolívar (1783-1830), dem Befreier Südamerikas von der spanischen Krone, finden sich in dem Roman „Der General in seinem Labyrinth“ von Gabriel García Márquez. Bei der Lektüre drängt sich der Verdacht auf, dass der Autor aber nicht nur Simón Bolívar, sondern auch seinen langjährigen Freund, den kubanischen Staatschef Fidel Castro vor Augen hatte.

Der ist so schwer erkrankt, dass er Anfang der Woche vor einer bedrohlichen Darmoperation die Macht „vorübergehend“ an seinen Bruder Raúl übertrug. Höhepunkt eines in den letzten Jahren zunehmend sichtbareren gesundheitlichen Verfalls des Máximo Líder. Damit stellen sich die Fragen nach der Zukunft der Tropeninsel drängender denn je zuvor... [...]
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B26 Europa/Lateinamerika
Feb. 2006
Zeitschrift für Kultur, Wirtschaft, Politik/ Revista de Cultura, Economía, Política
Mit Castros Tod kann die Repression auf Kuba zunehmen
Interview mit Volker Skierka
Von Guillem Sans
(Para la version espagnola: click Menü / Texte / Archiv)

Auszug:

Wie sehen Sie die Zukunft des Landes nach dem Tod des Máximo Líder?
Ich bin sehr besorgt über die Aussichten. Die amerikanische Politik ist bekannt. Mit Bush hat sich das Verhältnis eher noch verschärft. Andererseits hat man einen kleinen Spalt im Helms-Burton-Gesetz geöffnet. Unter dem Label „humanitäre Hilfe” sind seit Jahren enorme Lebensmittellieferungen nach Kuba möglich. Es ist so, dass die Kubaner jedes Jahr mittlerweile für zwischen 400 und 500 Millionen Dollar Lebensmittel gegen Barzahlung in den USA einkaufen. Das ist das Resultat einer unermüdlichen Lobbyarbeit der – eher republikanisch orientierten – amerikanischen Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie – zum Ärger der Europäer.

Was können europäische Diplomaten tun?
Die Beziehungen zu Europa sind praktisch komplett eingefroren. Es gibt weder ein amerikanisches noch ein bekanntes europäisches Konzept für das postcastristiche Kuba. Das einzige, was man von offizieller kubanischer Seite weiß, ist, dass Raúl Castro, der fünf Jahre jüngere Bruder, die Nachfolge antreten soll, und zwar nicht als Einzelherrscher, sondern als primus inter pares. Aber Fidel Castro greift neuerdings auch jenes Wirtschaftskonzept an, mit dem Kuba in den letzten zehn Jahren eigentlich ganz gut gefahren ist. So liegt jetzt alles wieder im Dunkeln.

Wie schätzen Sie den Strategiewechsel der Europäer ein?
Die Europäer haben ja den Versuch gemacht, und zwar ausgehend von Spanien, im vorigen Frühjahr die Frostperiode zu beenden, indem sie Lockerungen in den Beziehungen in Aussicht gestellt haben. Und als man nach einigen Vorsondierungen glaubte, jetzt käme man mit den Kubanern auf offizieller Ebene wieder ins Gespräch, hat Castro das ja brüsk unterbunden. Er hat sich sogar darüber lustig gemacht, die Regierung Zapateros in Spanien düpiert und gesagt, er brauche weder Europa noch die USA. Das mag für ihn gelten, aber wie soll es nach ihm für die Kubaner weitergehen? Er sollte froh sein, dass die Europäische Union sich um Kuba mehr zu sorgen scheint als die USA, die nur das Geschäft sehen.

Stillstand also...
…und Rückschritt: für das kubanische Volk eine desaströse Situation. ... [...]
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Der Tagesspiegel
27.02.2005
Guantánamo III
Stacheldraht im Kopf
In Guantánamo sitzen zurzeit 550 Häftlinge: ein rechtsfreier Raum, ein Desaster für die Demokratie. Und alle reden von Bushs Charme-Offensive
© Volker Skierka
Im Jahr 1874 meldete der Farmer J.F. Glidden aus Illinois eine Erfindung zum Patent an, welches die Tier- und später auch die Menschenhaltung revolutionieren sollte: den Stacheldraht. Seither erobert der mit spitzen Zacken versehene gezwirbelte Draht die Welt. Was ursprünglich dafür gedacht war, große Viehherden zusammenzuhalten, ist heute eine der effizientesten – und preiswertesten – Defensivwaffen der Menschheit.

Seine harmloseste Verwendung findet der Stacheldraht bei der Abwehr von Einbrechern, sein grausamster Einsatz spiegelt sich in den Bildern der Kriegsfotografie und denen der Konzentrationslagern der Nationalsozialisten – als Umzäunung von Gefangenenlagern und tödlichen Minenfeldern. Nach dem Zweiten Weltkrieg trennte er als Eiserner Vorhang Ideologien und Völker, in Sechzigern Polizisten von Demonstranten und bis heute weltweit Militärkasernen, staatliche Einrichtungen und Amtsträger vor verdächtigen Bürgern. Seit den Terroranschlägen vom 11. September hat es den Anschein, als werde der ganze Erdball allmählich eine Stacheldrahtkugel, der Reisefreiheit und den offenen Grenzen in der globalisierten Welt zum Trotz. Die fortschreitende Vernetzung der Bürger geht einher mit einem Verlust ihrer Bewegungsfreiheit... [...]
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DER TAGESSPIEGEL, Dritte Seite
26.01.2004
Guantánamo II
Wo endet das Recht?
Hunderte von „Terroristen“ sitzen in einem US-Lager weitab von der Welt – ein Besuch in Guantanamo Bay auf Kuba
© Volker Skierka
Die Farbe Orange. Seit dem 11. September 2001 steht sie in Amerika für den Verlust von Freiheit. Als Synonym für ein Leben in ständiger Bedrohung. Bei Terroralarm der Stufe „Code Orange“ droht überall Gefahr. Und Reisen in den Zeiten von „Code Orange“ bedeutet: Jeder ist verdächtig. Doch als der Autor an einem Januarmorgen im Marinestützpunkt Jacksonville in Florida sein Ticket mit der Nummer „VS206804PRC000“ in die Hand gedrückt bekommt, weiß er, dass er keine Gefahr für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten darstellt. Schon vor Wochen musste sich sein Name auf eine Odyssee durch die Computer des Pentagon sowie der US-Sicherheits- und Geheimdienste begeben, ehe er die Erlaubnis erhielt, auf dem Militärflug BLM3 mitreisen zu dürfen. „Allein neun Tage dauerte es, bis Ihre FBI-Überprüfung vorlag“, wird ihm später jemand verraten. „Checked and cleared“, und „embedded“ in die von ihm unterschriebenen Verhaltensregeln der Public-Relations-Abteilung des US-Verteidigungsministeriums ist er schließlich unterwegs an ein für gewöhnliche Reisende verbotenes Ziel... [...]
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DER TAGESSPIEGEL
22.04.2002
Guantanamo I
Was tun die Yankees auf Kuba?
© Volker Skierka
Das knusprig-braune und fettglänzende Brathuhn, das der kubanische Kellner serviert, weckt nostalgische Erinnerungen an den legendären Gold-Broiler zu DDR-Zeiten. Um so mehr, weil der Blick vom Mittagstisch direkt auf eine Grenzanlage fällt, die dem „antifaschistischen Schutzwall“ ähnelt, welcher einst die Erde in ideologisch verfeindete Hälften dividierte. Minenfelder, Panzersperren, Stacheldrahtverhaue, Bunker, elektronische Sicherungsanlagen, Patrouillenwege, Wachtürme sind von dem über 400 Meter hoch gelegenen Aussichtspunkt „Los Malónes“ aus zu sehen. Dazwischen ein einsamer Grenzübergang, überragt von zwei Fahnenmasten. An dem diesseits flattert die kubanische Flagge, an jenem drüben die der Vereinigten Staaten von Amerika. „Drüben“, das ist der US-Flottenstützpunkt Guantánamo. Er ist 117,5 Quadratkilometer groß und liegt auf kubanischem Territorium. Uncle Sam, Fidel Castros Klassenfeind, hat ihn sich vor 99 Jahren angeeignet. [...]
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