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Castro - Graphic Novel / Comic
von Reinhard Kleist, mit einem Vorwort von Volker Skierka
280 Seiten, Hardcover, farbig, Deutschland: € 16,90 / Oesterreich: € 17,40 / Schweiz: sFr 30,90, Erscheinungsdatum: 1. Oktober 2010, Carlsen Verlag, ISBN 978-3-551-78965-5
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Marta Feuchtwanger Copyright Volker Skierka
Ein Don Quijote gegen Dummheit und Gewalt
Einstündiges Radio-Feature von Volker Skierka für NDR-Kultur aus Anlass des 50. Todestages am 21. Dezember 2008 und des 125. Geburtstages des deutsch-jüdischen Schriftstellers Lion Feuchtwanger am 7. Juli 2009 sowie ein Gespräch mit dem Schriftsteller und Literaturexperten Prof. Fritz J. Raddatz.

Der Freund und Weggefährte von Bertolt Brecht, Heinrich und Thomas Mann, Arnold Zweig sowie anderen literarischen Zeitgenossen zählte zu den ersten, den die Nationalsozialisten nach der Machtergreifung Hitlers ausbürgerten. 1933 zog der Verfasser historischer Romane wie „Jud Süß“, „Erfolg“, „Der jüdische Krieg“ und „Goya“ zunächst nach Sanary-sur-mer an der französischen Mittelmeerküste. 1940, nach dem Überfall Deutschlands auf Frankreich, mußte er er unter dramatischen Umständen in die USA fliehen. „Die Dummheit der Menschen ist weit und tief wie das Meer“, schrieb er 1933 in einem Brief an Zweig. Seine Arbeit widmete der linksbürgerliche Romancier dem – vergeblichen - Kampf der Vernunft gegen Dummheit und Gewalt. Volker Skierka, Journalist und Biograf Feuchtwangers, zeichnet dessen Leben anhand von Dokumenten, Interviews und – bislang unveröffentlichter - Tonbandaufnahmen zahlreicher Gespräche nach, die der Autor einst mit Feuchtwangers Witwe Marta und seiner Sekretärinnen Lola Sernau führte.
(Mehr unter Menüpunkten "Publikationen / Lion Feuchtwanger" sowie "Villa Aurora")

Konzentrationslager Birkenau (Auschwitz). - Text und Fotos: Volker Skierka
Weiße Flecken, dunkle Geschichte
Aus: Der Tagesspiegel, 20. Jan. 2006

80 Jugendliche, Deutsche und Polen, auf der Suche nach der Wahrheit, die die Nazis unterdrückt haben. Versuch einer Versöhnung

Alles ist wie in Watte gebettet. Der Schnee liegt hoch, die Bäume und der doppelte Stacheldrahtzaun sind weiß überpudert. In klirrender Kälte passieren die polnischen Germanistik-Studentinnen Kasia Król und Maria Mrówca das weit geöffnete Tor unter dem Schriftzug „Arbeit macht frei“. Es ist früh am Tag. Man ist allein im ehemaligen Menschen-Vernichtungslager Auschwitz und Birkenau. Stumm, in sich gekehrt und ziellos gehen die jungen Frauen durch die einsamen Lagerstraßen, stehen in einer der ehemaligen Gefangenen-Unterkünfte plötzlich vor einer 20 Meter langen Glaswand, hinter der zwei Tonnen Menschenhaar liegen. Es konnte wegen der Befreiung des KZs nicht mehr an die Textilindustrie geliefert werden.

Kasia, die große, schlanke Dunkelhaarige, ist 21 Jahre alt, Maria, etwas kleiner und blond, ist 23. Ihre Gesichter sind wie versteinert. Draußen sagt Kasia nur: „Wenn man daran denkt, dass viele der Täter und der Opfer in unserem Alter waren …“ Dann nimmt Maria den Faden auf und sagt: „Ich glaube, es ist wichtig für die Deutschen, dass Menschen anderer Nationen mit ihnen darüber sprechen.“
In dem massiven roten Backsteinbau mit der Nummer 24, wo das Archiv jenes Ortes untergebracht ist, haben Kasia und Maria mit drei Kommilitoninnen und einem Kommilitonen von der Universität des 60 Kilometer entfernten Krakau mit einem einzigartigen deutsch-polnischen Geschichtsprojekt begonnen.

Die Studenten forschten nach Lücken und Manipulationen in der seit dem Überfall Hitlers auf Polen 1939 gleichgeschalteten Lokalpresse. Diese „weißen Flecken“ in der offiziellen Berichterstattung, versuchten die Studenten 60 Jahre nach Kriegsende mit Wahrheiten zu füllen. „Hunderte von dicken Bänden, Tagebücher und Dokumente, liegen hier“, sagen sie. „Wir haben einfach einige herausgegriffen, darin geblättert und gelesen. Das war der Anfang.“
Herausgekommen ist dabei aber nicht eine neue Arbeit über den Massenmord von Auschwitz, sondern eine Untersuchung über ein nahezu unbekanntes Thema – über den damals weitverzweigten und oft tödlichen Widerstand der gut organisierten polnischen Pfadfinderbewegung und deren Untergrundpresse im Raum Krakau...
(Klicken Sie oben links im Menü auf "Texte" und lesen Sie weiter)

Volker Skierka: "Armin Mueller-Stahl - Begegnungen. Eine Biografie in Bildern."
216 Seiten gebunden, €39,90, erschienen im Oktober 2002 im Knesebeck Verlag München, ISBN 3-89660-139-3
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TEXT Die Geschichte ist keine Kette von Siegen

Exklusiv-Interview mit Alexander Dubcek
Die Geschichte ist keine Kette von Siegen
 
Hätte es die Perestoika ohne den Prager Frühling gegeben? Frißt auch die "Samtene Revolution" ihre Kinder? Wie wird es weitergehen zwischen Tschechen und Slowaken? Alexander Dubcek, neben Vaclav Havel die große politische Symbolfigur des Landes rekapitulierte unmittelbar vor seinem schweren Autounfall in einem MERIAN-Gespräch den beschwerlichen Weg zur Demokratie.
 
© Volker Skierka
Merian Nr.11, Seite 94 ff., November 1992


MERIAN: Wir erinnern uns noch gut an die Rufe "Es lebe Havel" und "Es lebe Dubcek" im November 1989 in Prag. Damals waren Sie die Helden des Volkes. Heute, drei Jahre später, gibt es keinen gemeinsamen Staat der Tschechen und Slowaken mehr, Václav Havel ist zurückgetreten. - Sind Sie beide gescheiterte Helden?

ALEXANDER DUBCEK: Nein, durchaus nicht. Schon die Tatsache, daß wir jetzt hier zusammensitzen, ist ein Beweis dafür, daß wir Erfolg hatten und die Tschechoslowakei den Weg zur Demokratie betreten hat. Der Eiserne Vorhang ist gefallen, und wir erleben zur Zeit einen enormen Wandel in Politik und Wirtschaft: Wir sind dabei, die gesetzgeberischen Voraussetzungen für den Eintritt in die Europäische Gemeinschaft zu schaffen. Unsere Bemühungen waren also keinesfalls umsonst. Ich denke im Gegenteil, daß die jetzige Entwicklung ihre Logik hat: Zu Beginn waren alle demokratischen Kräfte sich einig, wir hatten nur ein einziges Ziel, nämlich den Eisernen Vorhang niederzureißen und den Weg zur Demokratie zu öffnen. Jetzt ist er weg, jetzt müssen wir etwas Neues aufbauen, und von diesem Neuen haben nun alle verschiedene Vorstellungen. Es funktioniert noch nicht, die alten Strukturen sind noch nicht ganz verschwunden, und dieses Vakuum nutzen jetzt radikale Kräfte für ihre Zwecke aus. Wahrscheinlich geht es der "Sanften Revolution" so wie denen der Französischen Revolution: Sie frißt irgendwann ihre eigenen Kinder.

MERIAN: Was uns auffällt: Die drei herausragenden tschechoslowakischen Politikerin der Geschichte dieses Landes - Masaryk, Dubcek, Havel - waren alle drei keine typischen "Realpolitiker", sondern Idealisten, Intellektuelle, Visionäre. Sie und Herr Havel werden beide als eher schüchtern, nicht machtbesessen, manchmal sogar als "zu nett" und "eher naiv" beschrieben. Wieso kamen ausgerechnet Sie an die Macht?

DUBCEK: Da waren sicherlich mehrere Komponenten im Spiel: ein Zusammentreffen von neuen Bewegungen mit Persönlichkeiten, die diese neuen Bedürfnisse erkennen, ausdrücken und die Sehnsucht der Menschen umsetzen können. Es ist wahr, daß uns oft zu großer Idealismus vorgeworfen wird. Aber die Praxis bestätigt doch, daß wir die Tür geöffnet haben für neue Wege.

MERIAN: Und Jetzt ist die Stunde der "guten Menschen" vorbei und die der Pragmatiker schlägt?

DUBCEK: Das ist der Preis, den man wahrscheinlich zahlen muß, für alle Fehler, die man gemacht hat: Im übrigen haben die westlichen Demokratien diesen Prozeß genauso durchgemacht, die waren ja auch nicht immer da, wo sie heute sind.

MERIAN: Wie würden Sie Masaryk, Dubcek und Havel als Persönlichkeiten charakterisieren?

DUBCEK: Schwierig zu sagen, weil jeder in einer anderen Zeit lebte und in einem anderen Milieu aufgewachsen ist. Vielleicht gibt es eine Gemeinsamkeit, und das ist eine unglaubliche Sehnsucht, in die man das Beste und Teuerste, das man hat, hineinpackt: Eine Sehnsucht nach Freiheit für das Land und das Volk, daß es endlich die Chance haben soll, über sein Schicksal selbst zu entscheiden.

MERIAN: Welches Verhältnis zur Macht haben Sie?

DUBCEK: Für mich ist die Sache immer wichtiger gewesen als irgendeine Funktion oder Stellung. So habe ich 1968 gehandelt - natürlich war ich damals nicht so naiv, daß ich nicht gewußt hätte, jetzt gehen wir aufs Ganze. Ich kannte ja meine Gegner und wußte, daß mit denen nicht zu spaßen war. Und jetzt machen mir meine Freunde erneut Vorwürfe, weil ich in die Sozialdemokratische Partei gegangen bin, obwohl diese, als ich eintrat, eine absolute Splitterpartei mit 0,8 Prozent war. Ich hätte auch der Partei des Wahlsiegers Meciar beitreten können, aber ich habe mich dagegen entschieden.

MERIAN: Wenn man die Entwicklung hier mit der in der ehemaligen Sowjetunion - und damit Gorbatschows - vergleicht: Ist es nicht geradezu eine Zwangsläufigkeit von idealistischen Bewegungen, daß ihre führenden Köpfe zu tragischen Figuren werden?

DUBCEK: Vielleicht. Aber wenn wir von diesem Standpunkt aus das Leben betrachten, dann hätte man auch Spartakus nur dringend von seinem Aufstand abraten können. Die Entwicklung der Menschheit ist keine Kette von Siegen. Auch Niederlagen haben Auswirkungen auf die Weltgeschichte gehabt. Hinterher ist es immer schwierig zu sagen, ob etwas einen Sinn hatte, ob etwas naiv war oder zu gewagt. Man kann sich nicht nur in Kämpfe begeben, von denen man schon vorher weiß, daß man sie gewinnen wird; manche scheinbaren Mißerfolge stellen sich erst später als Erfolge heraus, weil sie etwas in Bewegung gebracht haben. Wer in der ersten Grabenlinie gelegen hat, ist vielleicht nicht durchgekommen, aber die, die nach ihm kamen, die konnten es schaffen.

MERIAN: Wenn man Ihre Biographie betrachtet, Herr Dubcek, dann haben Sie einen langen Weg hinter sich. Jetzt bekennen Sie sich zur Sozialdemokratie. Welchen Prozeß haben Sie durchgemacht? Wann begannen Sie, sich als Sozialdemokrat und nicht mehr als Kommunist zu begreifen?

DUBCEK: Sie haben recht, das war ein Prozeß. Drei Faktoren haben dabei eine Rolle gespielt: mein eigenes Leben, mein Studium an der Parteihochschule in Moskau zur Chruschtschow-Zeit und die westliche Sozialdemokratie: Ich habe das Denken Willy Brandts sehr aufmerksam verfolgt, die Politik Palmes und Kreiskys ...

MERIAN: Schon in den sechziger Jahren?

DUBCEK: Ja, das alles hat mich damals sehr beeinflußt und wurde 1967 sozusagen "reif". Als ich im Oktober '67 meine Vorschläge zur Kursänderung auf der Parteisitzung vortrug, waren alle wie erstarrt, niemand hat mich unterstützt. Erst im Januar '68 hat sich das Blatt gewendet. Das heißt, daß die Stunde richtig war, die ich gewählt habe.

MERIAN:Aber welche Perspektive hatten Sie damals? Wollten Sie damals schon die Demokratie einführen? Václav Havel hat damals übrigens die Wiederzulassung der Sozialdemokratischen Partei gefordert.

DUBCEK: Es wäre '68 überhaupt nicht möglich gewesen, eine Sozialdemokratische Partei zu gründen. Unsere einzige Chance war, zu versuchen, die KP von innen heraus zu reformieren. Wir sahen doch das riesige Damoklesschwert, das über uns hing. Nein, das war völlig unmöglich. Es hatten sich ja einige Kontakte zu den anderen Bewegungen ergeben, aber ich habe denen gleich gesagt: " Es geht nicht." Zu diesem Zeitpunkt hätten wir damit unseren Gegnern einen Vorwand zum Losschlagen gegeben, denn deren Schlüsselargument war ja gerade, daß die Bewegung "sozialdemokratisch, opportunistisch und revisionistisch" sei.

MERIAN: Statt dessen kamen noch einmal zwanzig Jahre Diktatur. Eine ganze Generation hat wieder den Anschluß verloren, haben zwei bis drei Generationen keinerlei Erfahrungen mit Demokratie sammeln können. Wenn diese Leute jetzt wieder machtbesessenen Pragmatikern ausgeliefert werden - welche Gefahren sehen Sie?

DUBCEK: Ich bin fest davon überzeugt, daß die Menschen sich die Demokratie nicht mehr stehlen lassen werden. Die Verhältnisse werden sich klären wie trübes Wasser, das mit der Zeit langsam klar wird, weil die Trübstoffe sich absetzen. Das ist ja das Wunderbare an pluralistischen Systemen, daß sie dauernd in Bewegung und dabei in sich stark sind. Das Neue ist da! Und deshalb waren wir nicht nur Idealisten.

MERIAN: Hätte es die Perestroika ohne den Prager Frühling gegeben?

DUBCEK: Nein, ich glaube nicht. Nicht so jedenfalls: Natürlich wäre sie gekommen, aber viel schwieriger, und wann, das ist schwer zusagen. Sacharow hat mir in einem Brief vor seinem Tod geschrieben, daß unser Kampf nicht umsonst gewesen sei, weil "unter der Asche die Glut noch weiter schwelte ", und daß die Zeit kommen würde, in der auch Rußland diesen Weg gehen würde.

MERIAN: Eine hypothetische Frage: Könnte es sein, daß Ihr Reformkommunismus 1968 vier Jahre zu früh kam? Hätten Sie 1972, als Brandt Bundeskanzler und die Entspannungspolitik auf ihrem Höhepunkt war, nicht mehr Chancen auf Erfolg gehabt?

DUBCEK: Das ist sicher hypothetisch. Denn wissen Sie, das Kind muß auf die Welt, wenn es neun Monate im Mutterleib war - entscheidend waren die Bedingungen hier im Lande, erst in zweiter Linie äußere Umstände. Hier war die Zeit reif, sie wurde von Tag zu Tag reifer, ich sagte mir: "Wir müssen etwas tun!" Und die Reaktion war ja einfach unglaublich, das ganze Land hat die Politik unterstützt, alle standen dahinter.

MERIAN: Haben Sie es eigentlich 1989 als historische Ungerechtigkeit empfunden, daß nicht Sie Präsident wurden, sondern VácIav Havel?

DUBCEK: Nein. Das wird Sie vielleicht wundern, aber ich hätte nie an diese Position gedacht. Ich war ja mit dabei, wurde Parlamentspräsident. Ich fühle mich innerlich rehabilitiert - auch für die fast 500 000 Menschen, die wegen des "Prager Frühlings" und meiner Politik in den zwanzig Jahren danach verfolgt wurden. Diese Satisfaktion haben wir bekommen.

MERIAN: Sie kennen Havel seit 1968, was halten Sie von ihm als Politiker?

DUBCEK: Die Praxis zeigt, daß es in der Politik auch wichtig ist, ein wenig Erfahrung zu haben. Viele haben ja sein vorzeitiges Abtreten als Präsident begrüßt. Ich bin da völlig anderer Meinung. Der Kopf eines Staates darf sein Amt nicht niederlegen, solange die Republik existiert. Er hätte bleiben müssen, wenigstens so lange, bis ein anderer gewählt worden wäre - wozu er ohne weiteres die Tür hätte öffnen können. Ein Interregnum sollte es nicht geben.

MERIAN: Diese Situation ist jetzt jedoch eingetreten, das Land steht vor der Spaltung. Es gibt allerdings zwei große Symbolfiguren - den Tschechen Havel und den Slowaken Dubcek - die beide nicht für die Trennung des Staates waren: Könnten Sie beide nicht zu Integrationsfiguren werden und gemeinsam retten, was zu retten ist?

DUBCEK: Dann müßten die Wahlsieger diesen Wunsch kundtun. Deren ganzes Denken ist aber anders orientiert. Das bedeutet, daß die Tschechoslowakei in der Form, wie sie bisher existiert hat, nicht weiterexistieren kann. Aber es gäbe vielleicht eine andere Form, die tschechoslowakische Einheit zu retten.

MERIAN: Welche?

DUBCEK: Zum Beispiel könnte man den Republiken mehr föderale Kompetenzen zubilligen und so eine Abspaltung voneinander vermeiden. Es könnten gemeinsame - tschechoslowakische -Elemente bestehen bleiben. Wir denken da an gemeinsame Verteidigung, gemeinsame Außenpolitik, Erhalt der gemeinsamen Währung, gemeinsame Umweltpolitik, Steuerunion, gemeinsamer Markt und Arbeitnehmer-Freizügigkeit.

MERIAN: Was wäre dann noch das Trennende?

DUBCEK: Die Dezentralisierung der Regierungen. Aber die Politik der Wahlsieger wird leider eher zur Trennung als zur Erhaltung der integrierenden Elemente führen. Was im Westen nicht ganz klar zu sein scheint, ist, daß gerade die Tschechen unter Ministerpräsident Klaus die Trennung und eine tschechische Republik forcieren. Im Ausland ist man ja größtenteils davon überzeugt, daß es die Slowaken sind, die die Teilung wollen.

MERIAN: Ach, die wollen sie gar nicht?

DUBCEK: Die Slowaken wollen eine neue Form des gegenseitigen Verhältnisses. Die Tschechen stehen resolut auf dem Standpunkt: Entweder die Föderation bleibt, wie sie ist, oder wir teilen uns. Dazu muß ich, zum besseren Verständnis, noch etwas erklären, 1968 hatten wir das Verhältnis von Tschechen und Slowaken erstmals in der Geschichte der Tschechoslowakei auf eine gesunde Basis gestellt - auch zur Zufriedenheit der Ungarn und übrigen Minderheiten. Wenn uns das damals nämlich nicht gelungen wäre, hätten die "lieben Verbündeten" noch leichteres Spiel gehabt, denn dann hätten sie die fünf Armeen gar nicht schicken, sondern uns nur national gegeneinander aufbringen müssen.

MERIAN: Wie sah diese Basis aus?

DUBCEK: Es gab eine große Dezentralisierung der Kompetenzen, weg von Prag. Beide Republiken erhielten mehr Autonomie zugeteilt: Es wurde beschlossen, ihnen ihre eigene Verfassung zu geben, darüber als Dach die föderative Verfassung. Doch dazu kam es nicht, weil 1969, nach der "brüderlichen Hilfe", den Nationalregierungen die Kompetenzen wieder weggenommen wurden. Können Sie sich vorstellen, was das für die Slowaken hieß? In Deutschland zum Beispiel gibt es ja nur ein Volk ...

MERIAN: Das sagen Sie!

DUBCEK: ... aber die Bayern oder die Westfalen würden auch auf die Barrikaden gehen, wenn ihnen ihre Rechte wieder weggenommen werden sollten! Genau das passierte hier den Slowaken. Und in den letzten drei Jahren ist es nicht gelungen, die Zuständigkeiten wieder zu dezentralisieren und eine neue gemeinsame föderative Verfassung auszuarbeiten. Ich befürchte, daß ein gewisser Teil der tschechischen Politiker das auch gar nicht ernsthaft wollte, sondern nur hin zur selbständigen tschechischen Republik. Deshalb haben sie ihren eigenen slowakischen Koalitionspartnern gegenüber gemauert, und die politische Szene hat sich ständig radikalisiert.

MERIAN: Kann dieser neue Nationalismus gefährlich werden, gar eskalieren?

DUBCEK: Nationalismus ist zäh und schwer auszurotten. Aber nicht alles, was hier vorgeht, kann man dem Nationalismus in die Schuhe schieben: Die Nichtlösung der existierenden Probleme ist erst der Nährboden für die nationalistischen Extremisten, nicht umgekehrt. Schauen Sie doch in die Geschichte: In der ersten Republik wurde die Autonomie versprochen, aber schließlich doch nicht gewährt. Nach dem Krieg wurde die Schaffung einer gleichberechtigten Republik angekündigt - es wurde wieder nichts daraus, und jetzt auch nicht. Muß man sich da wundern, wenn das Wasser auf die Mühlen der Separatisten ist?

MERIAN: Werden die Separatisten die Oberhand behalten?

DUBCEK: Ich glaube trotz alledem nicht, daß die Entwicklung sich nach rückwärts orientieren wird, denn ich hoffe immer noch, daß es gelingen wird, die tschechoslowakische Einheit - in welcher Form auch immer - zu erhalten. Aber wenn dies erfolglos bleibt, dann werde ich versuchen, zusammen mit meinem Volk die neue Situation zu bewältigen. Davonlaufen werde ich nicht.

MERIAN: Und wird dieses Land irgendwann eine sozialdemokratische Regierung haben?

DUBCEK: Ich glaube schon. Tatsache ist doch, daß ohne Sozialdemokratie das heutige System im Westen nicht existieren würde: In den pluralistischen Demokratien hat sie eine wichtige Rolle zu spielen bei der Erhaltung des Gleichgewichts der Kräfte. Der ursprüngliche Kapitalismus hat sich ja unter dem Druck der sozialen Bewegungen sehr verändert - weshalb man auch nicht sagen kann, der Kapitalismus habe gesiegt und der Sozialismus verloren.

MERIAN: 1988 haben Sie in einem Interview in der "L'Unita" noch gesagt: "Sozialismus und Demokratie gehören zusammen." Ist das Ihre Position nach wie vor?

DUBCEK: Man muß sehen, daß das, was wir durchlebt haben, kein Sozialismus war. Wir wollen heute die Richtung einschlagen, die sich in den westlichen Demokratien bewährt hat, also den Kurs der Sozialistischen Internationale. Deshalb bin ich in die Sozialdemokratische Partei eingetreten, obwohl sie hier noch eine Minderheitenpartei ist. Aber man muß diesen Prozeß unterstützen, es ist wichtig, daß sich die sozialdemokratische Linke formiert, damit es eine Opposition gibt, ein Gleichgewicht der Kräfte. Das muß ich erreichen, solange ich noch jung bin ...

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Cicero
Februar 2010
Guantánamo schließen - jetzt erst recht
© Volker Skierka
Die Reise ins Jenseits der Demokratie führte mich im Januar 2004 mitten hinein in eine militärische Version der „Truman Show“, jener Filmsatire von Peter Weir, in der ein ahnungsloser und gutgläubiger Kleinbürger zum Opfer einer Heile-Welt-Fernsehshow wird. In meinem Fall war das Pentagon der Regisseur der „Show“, die freilich keine Satire war, sondern blutiger Ernst. Schauplatz war der US-Marinestützpunkt Guantanamo Bay auf Kuba [...]
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NEUE ZÜRCHER ZEITUNG
9./10. August 2008
Kuba wartet auf seine Zukunft
Keine Aufbruchstimmung trotz angekündigter Veränderungen
Von Volker Skierka
Seit Raúl Castro vor zwei Jahren von seinem Bruder Fidel die Macht übernahm, sind in Kuba manche Veränderungen angekündigt und eingeleitet worden. Das Hauptproblem liegt in der Landwirtschaft, die dringend angekurbelt werden muss. Obwohl Kritik offener ausgedrückt wird, ist in der Bevölkerung keine Aufbruchstimmung spürbar.

Kuba wartet. Auf den Überlandbus, der selten kommt. Auf den alten sowjetischen Lastwagen, der mit einigen Dutzend Mitfahrern auf der Ladefläche über Strassen voller Schlaglöcher rumpelt. Auf den ausländischen Touristen mit dem komfortablen Mietwagen, bei dem ein Einheimischer sogar umsonst mitfahren kann. Oder einfach nur auf die einspännige und bunt geschmückte Pferdekutsche, die gemütlich durch den Ort trabt und Eilige ausbremst. Fröhlich und freundlich, hoffnungsvoll und optimistisch, mitunter auch erschöpft, resigniert und erloschen wartet ein ganzes Volk mit scheinbar grenzenloser Geduld jeden Tag in langen Schlangen und dicken Menschentrauben an den Strassenrändern und Weggabelungen darauf, irgendwohin mitgenommen zu werden, zur Arbeit, zu Verwandten, in die nächste Stadt – oder in ein anderes Leben... [...]
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DER TAGESSPIEGEL
13. Dezember 2008
Die Freiheit des anderen
Exilkubaner gegen Kuba – ein Terrorkampf seit Jahrzehnten. Mit Barack Obama kommt nun auch die Hoffnung auf Besserung
Von Volker Skierka
Sie werden die „Osama bin Ladens des Westens“ genannt. Luis Posada Carriles und Orlando Bosch zählen zu den gefährlichsten Terroristen der Welt. Unter den Veteranen von ihnen mitbegründeter exilkubanischer Terrornetzwerke wie „Alpha 66“, „Omega 7“, „CORU“, „El Condor“ und „Comando L“ genießen die beiden einen zweifelhaften Helden- und Kultstatus. In jenen Kreisen gelten sie als „gute“ Terroristen, weil sie über Jahrzehnte von Florida und Mittelamerika aus – immer wieder auch als feste wie freie Mitarbeiter der CIA – das Kuba der Brüder Fidel und Raúl Castro und von deren Freunden bekriegt haben. In die Hunderte geht die Zahl der im letzten halben Jahrhundert von ihnen und ihren Gesinnungsgenossen in zahlreichen Ländern, aber auch innerhalb der USA verübten, verantworteten oder zugeschriebenen Bombenanschläge, Attentate und Sabotageakte mit Explosiv- und biologischen Kampfstoffen sowie die Anzahl der menschlichen Kollateralschäden an Toten, Verletzten und Invaliden. [...]
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DIE ZEIT - Online
19. Februar 2008
Modell Kuba
Die neue Führung nach der Ära Castro wird wahrscheinlich reformbereit sein. Seine Machtelite jedoch wird versuchen, ihre Pfründe zu wahren
Von Von Volker Skierka
Es ist, als wäre er gestorben. Kaum jemand in der Welt konnte sich vorstellen, dass die Ära Fidel Castro anders zu Grabe getragen würde als in einem Sarg. Nun aber fand dies in Form der schlichten Mitteilung statt, er gebe seine Staatsämter auf.
Es passt irgendwie zu ihm, dass er seinen Abgang so inszeniert, dass er ihn auch noch selbst erleben darf. Aber vor allem auch, weil er so noch bestimmen kann, wer ihm folgt. Und das ist aller Wahrscheinlichkeit nach sein Bruder Raúl, der als Erster Vizepräsident schon seit anderthalb Jahren die Amtsgeschäfte des kranken Máximo Líder kommissarisch wahrgenommen hat.
Wenn die 624 Abgeordneten der gerade neugewählten kubanischen Nationalversammlung wie geplant am Sonntag zusammentreten und den 31-köpfigen Staatsrat, mithin praktisch die künftige Staatsführung wählen, dann dürfte der jüngere Bruder der einzige Kandidat für die Nachfolge des Staatspräsidenten sein.
Spannend an dem Ritual wird sein, wie dieser Staatsrat sonst zusammengesetzt sein wird, wer den Ministerrat bildet. Wer also jene Leute sind, die das schwierige Erbe des großen Caudillo übernehmen... [...]
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Hamburger Abendblatt,
2. März 2007
Hamburg ist nicht der Kongo
Von Volker Skierka
Was unterscheidet Hamburg vom Kongo? Und was den kongolesischen Staatspräsidenten Generalmajor Joseph Kabila von dem Hamburger SPD-Kreisvorsitzenden und Major der Reserve Johannes Kahrs (übrigens tragen beide die gleichen Initialen J. K. im Namen)? Sehr viel. Deshalb lohnt der Vergleich. Im Kongo haben voriges Jahr Kahrs' Bundeswehr-Kameraden im Auftrag der Uno für einen recht ordentlichen Ablauf der Präsidentenwahl gesorgt. In Hamburg ist hingegen etwas passiert, was man bisher nur aus Ländern wie dem Kongo kannte: Erst hat der Kreisfürst und Bundestagsabgeordnete Kahrs - Mitglied des Männerbundes Wingolf sowie des Präsidiums des Förderkreises Deutsches Heer - einen Putsch gegen sein Parteioberhaupt Mathias Petersen inszeniert.
Dann, als das Opfer sich nicht so einfach meucheln ließ, half eine manipulierte Wahl nach. Deren Ausgang erfüllte schließlich das Ziel: Der Kopf ist ab... [...]
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Der Tagesspiegel
5. August 2006
Revolutionär von der traurigen Gestalt
Fidel Castros Abschied von der Macht: Die Götterdämmerung hat längst eingesetzt. Und was kommt dann?
© Volker Skierka
Auf dem Sterbelager diktiert der große Freiheitskämpfer eine bittere Erkenntnis in sein Testament: „Wer sich der Revolution verschreibt, pflügt das Meer“, sagt er und prophezeit: „Dieses Land wird unweigerlich in die Hände einer enthemmten Masse geraten, um dann an verkappte kleine Tyrannen aller Farben und Rassen zu fallen.“ Diese letzten Worte von Simón Bolívar (1783-1830), dem Befreier Südamerikas von der spanischen Krone, finden sich in dem Roman „Der General in seinem Labyrinth“ von Gabriel García Márquez. Bei der Lektüre drängt sich der Verdacht auf, dass der Autor aber nicht nur Simón Bolívar, sondern auch seinen langjährigen Freund, den kubanischen Staatschef Fidel Castro vor Augen hatte.

Der ist so schwer erkrankt, dass er Anfang der Woche vor einer bedrohlichen Darmoperation die Macht „vorübergehend“ an seinen Bruder Raúl übertrug. Höhepunkt eines in den letzten Jahren zunehmend sichtbareren gesundheitlichen Verfalls des Máximo Líder. Damit stellen sich die Fragen nach der Zukunft der Tropeninsel drängender denn je zuvor... [...]
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B26 Europa/Lateinamerika
Feb. 2006
Zeitschrift für Kultur, Wirtschaft, Politik/ Revista de Cultura, Economía, Política
Mit Castros Tod kann die Repression auf Kuba zunehmen
Interview mit Volker Skierka
Von Guillem Sans
(Para la version espagnola: click Menü / Texte / Archiv)

Auszug:

Wie sehen Sie die Zukunft des Landes nach dem Tod des Máximo Líder?
Ich bin sehr besorgt über die Aussichten. Die amerikanische Politik ist bekannt. Mit Bush hat sich das Verhältnis eher noch verschärft. Andererseits hat man einen kleinen Spalt im Helms-Burton-Gesetz geöffnet. Unter dem Label „humanitäre Hilfe” sind seit Jahren enorme Lebensmittellieferungen nach Kuba möglich. Es ist so, dass die Kubaner jedes Jahr mittlerweile für zwischen 400 und 500 Millionen Dollar Lebensmittel gegen Barzahlung in den USA einkaufen. Das ist das Resultat einer unermüdlichen Lobbyarbeit der – eher republikanisch orientierten – amerikanischen Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie – zum Ärger der Europäer.

Was können europäische Diplomaten tun?
Die Beziehungen zu Europa sind praktisch komplett eingefroren. Es gibt weder ein amerikanisches noch ein bekanntes europäisches Konzept für das postcastristiche Kuba. Das einzige, was man von offizieller kubanischer Seite weiß, ist, dass Raúl Castro, der fünf Jahre jüngere Bruder, die Nachfolge antreten soll, und zwar nicht als Einzelherrscher, sondern als primus inter pares. Aber Fidel Castro greift neuerdings auch jenes Wirtschaftskonzept an, mit dem Kuba in den letzten zehn Jahren eigentlich ganz gut gefahren ist. So liegt jetzt alles wieder im Dunkeln.

Wie schätzen Sie den Strategiewechsel der Europäer ein?
Die Europäer haben ja den Versuch gemacht, und zwar ausgehend von Spanien, im vorigen Frühjahr die Frostperiode zu beenden, indem sie Lockerungen in den Beziehungen in Aussicht gestellt haben. Und als man nach einigen Vorsondierungen glaubte, jetzt käme man mit den Kubanern auf offizieller Ebene wieder ins Gespräch, hat Castro das ja brüsk unterbunden. Er hat sich sogar darüber lustig gemacht, die Regierung Zapateros in Spanien düpiert und gesagt, er brauche weder Europa noch die USA. Das mag für ihn gelten, aber wie soll es nach ihm für die Kubaner weitergehen? Er sollte froh sein, dass die Europäische Union sich um Kuba mehr zu sorgen scheint als die USA, die nur das Geschäft sehen.

Stillstand also...
…und Rückschritt: für das kubanische Volk eine desaströse Situation. ... [...]
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Der Tagesspiegel
27.02.2005
Guantánamo III
Stacheldraht im Kopf
In Guantánamo sitzen zurzeit 550 Häftlinge: ein rechtsfreier Raum, ein Desaster für die Demokratie. Und alle reden von Bushs Charme-Offensive
© Volker Skierka
Im Jahr 1874 meldete der Farmer J.F. Glidden aus Illinois eine Erfindung zum Patent an, welches die Tier- und später auch die Menschenhaltung revolutionieren sollte: den Stacheldraht. Seither erobert der mit spitzen Zacken versehene gezwirbelte Draht die Welt. Was ursprünglich dafür gedacht war, große Viehherden zusammenzuhalten, ist heute eine der effizientesten – und preiswertesten – Defensivwaffen der Menschheit.

Seine harmloseste Verwendung findet der Stacheldraht bei der Abwehr von Einbrechern, sein grausamster Einsatz spiegelt sich in den Bildern der Kriegsfotografie und denen der Konzentrationslagern der Nationalsozialisten – als Umzäunung von Gefangenenlagern und tödlichen Minenfeldern. Nach dem Zweiten Weltkrieg trennte er als Eiserner Vorhang Ideologien und Völker, in Sechzigern Polizisten von Demonstranten und bis heute weltweit Militärkasernen, staatliche Einrichtungen und Amtsträger vor verdächtigen Bürgern. Seit den Terroranschlägen vom 11. September hat es den Anschein, als werde der ganze Erdball allmählich eine Stacheldrahtkugel, der Reisefreiheit und den offenen Grenzen in der globalisierten Welt zum Trotz. Die fortschreitende Vernetzung der Bürger geht einher mit einem Verlust ihrer Bewegungsfreiheit... [...]
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DER TAGESSPIEGEL, Dritte Seite
26.01.2004
Guantánamo II
Wo endet das Recht?
Hunderte von „Terroristen“ sitzen in einem US-Lager weitab von der Welt – ein Besuch in Guantanamo Bay auf Kuba
© Volker Skierka
Die Farbe Orange. Seit dem 11. September 2001 steht sie in Amerika für den Verlust von Freiheit. Als Synonym für ein Leben in ständiger Bedrohung. Bei Terroralarm der Stufe „Code Orange“ droht überall Gefahr. Und Reisen in den Zeiten von „Code Orange“ bedeutet: Jeder ist verdächtig. Doch als der Autor an einem Januarmorgen im Marinestützpunkt Jacksonville in Florida sein Ticket mit der Nummer „VS206804PRC000“ in die Hand gedrückt bekommt, weiß er, dass er keine Gefahr für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten darstellt. Schon vor Wochen musste sich sein Name auf eine Odyssee durch die Computer des Pentagon sowie der US-Sicherheits- und Geheimdienste begeben, ehe er die Erlaubnis erhielt, auf dem Militärflug BLM3 mitreisen zu dürfen. „Allein neun Tage dauerte es, bis Ihre FBI-Überprüfung vorlag“, wird ihm später jemand verraten. „Checked and cleared“, und „embedded“ in die von ihm unterschriebenen Verhaltensregeln der Public-Relations-Abteilung des US-Verteidigungsministeriums ist er schließlich unterwegs an ein für gewöhnliche Reisende verbotenes Ziel... [...]
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DER TAGESSPIEGEL
22.04.2002
Guantanamo I
Was tun die Yankees auf Kuba?
© Volker Skierka
Das knusprig-braune und fettglänzende Brathuhn, das der kubanische Kellner serviert, weckt nostalgische Erinnerungen an den legendären Gold-Broiler zu DDR-Zeiten. Um so mehr, weil der Blick vom Mittagstisch direkt auf eine Grenzanlage fällt, die dem „antifaschistischen Schutzwall“ ähnelt, welcher einst die Erde in ideologisch verfeindete Hälften dividierte. Minenfelder, Panzersperren, Stacheldrahtverhaue, Bunker, elektronische Sicherungsanlagen, Patrouillenwege, Wachtürme sind von dem über 400 Meter hoch gelegenen Aussichtspunkt „Los Malónes“ aus zu sehen. Dazwischen ein einsamer Grenzübergang, überragt von zwei Fahnenmasten. An dem diesseits flattert die kubanische Flagge, an jenem drüben die der Vereinigten Staaten von Amerika. „Drüben“, das ist der US-Flottenstützpunkt Guantánamo. Er ist 117,5 Quadratkilometer groß und liegt auf kubanischem Territorium. Uncle Sam, Fidel Castros Klassenfeind, hat ihn sich vor 99 Jahren angeeignet. [...]
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